Alle Jahre wieder haben wir das Bedürfnis, mit einem Großreinemachen den Winter zu verabschieden. Der Frühjahrsputz ist ein alter Brauch, der früher oft tagelang dauerte und fest im Jahreslauf verankert war.
Von Elisabeth Aslan
Wenn die Frühlingssonne an Kraft gewinnt, die Nächte kürzer, die Tage länger werden, ist auch heute noch Frühjahrsputz angesagt. Schränke werden gewischt, die im Sonnenlicht tanzenden Staubwolken hinausgewedelt, Böden gewienert, Fenster geputzt und Federbetten gereinigt. Eine gelebte Tradition, die es schon zu Zeiten der alten Römer gab. „Februare“ heißt reinigen, und so war denn auch der Februar im Römischen Reich ganz offiziell der Monat, in dem der Winter mit einem Säuberungsritual aus dem Haus gejagt wurde. In nördlicheren Gegenden fand und fi ndet der alljährlich wiederkehrende Hausputz aufgrund der längeren Winter erst im März oder April statt, in manchen Regionen sogar erst ab den Monaten ohne R – also ab Mai. Und im Hochgebirge, wo noch bis in den Frühsommer Schnee fallen kann, wartete man oft bis in den Juni. Doch dann ging es los mit dem Reinemachen, das mehrere Tage währte und alle Familienmitglieder und, bei reichen Stadtmenschen und wohlhabenden Bauern, auch das Gesinde mit einspannte. Denn über den Winter hatte sich eine Menge Schmutz angesammelt. Wo täglich der Ofen befeuert, das Essen auf der offenen Herdstelle gekocht und aufgrund der Kälte kaum gelüftet wurde, lagen Ruß und Staub millimeterdick auf Wänden, Böden und Möbeln. So wurden zunächst einmal die Möbelstücke ins Freie gebracht, weshalb auch die Männer kräftig mit anpacken mussten.
ALLE MÖBEL AUS DEM HAUS Viel gab es da nicht zu schleppen, zumindest bei den kleinen Höfen: Tisch, Stühle, Bänke aus Küche und Stube, den einzigen Räumen, die beheizt wurden. Vielleicht eine Truhe für die wichtigsten Habseligkeiten, vielleicht ein Schrank für das bessere Geschirr. Aus den Kammern die Deckbetten, die nach einem Vierteljahr Winter erstmalig wieder gewaschen, im Freien getrocknet und aufgeschüttelt wurden. Der ganze Hausstand befand sich auf dem Hof, sodass im Innern des Hauses richtig geputzt werden konnte. Zuerst wurden Wände und Dielen mit dem Reisigbesen abgefegt. Um die schlimmsten Verschmutzungen auf den Böden trocken zu reinigen, wurden gern Kehrspäne eingesetzt, an denen Staub und Ruß haften blieb. Heute kann man Kehrspäne wieder im Handel kaufen, da sie eine sehr umweltfreundliche Art des Putzens ermöglichen. Anschließend wurde gründlich geschrubbt, wozu man entweder ein Gemisch aus Holzasche und Fett, Scheuersand aus sehr feinem Flusssand oder Soda benutzte. Soda, das in seiner Rohstoffform bereits die alten Ägypter aus Salzseen gewannen und einsetzten, wurde im Jahr 1861 erstmalig industriell hergestellt und war seither ein beliebtes, vor allem auch erschwingliches Putzmittel. Die Hausfrauen reinigten beim Frühjahrsputz damit nicht nur die Stuben und Möbel, sondern auch Bratpfannen, Töpfe, Essgeschirr und gusseiserne Gegenstände. Soda erfreut sich heute wieder großer Beliebtheit, da es keine chemischen Reizstoffe enthält. Auch Schlämmkreide, gemischt mit Wasser, Essig oder Zitrone, verwendete man gern beim alljährlichen Hausputz, vor allem für Gegenstände aus weißem Emaille, denn die Kreide war ein natürliches Bleichmittel.
KEHREN, SCHEUERN, MALERN Oft wurden sogar die rußigen Wände neu verkalkt oder mit Leimfarbe bestrichen. Und auch die Holzbalken, Decken und Holzdielen wurden, wenn sie schadhaft waren, während des Frühjahrsputzes ausgebessert, angemalt und versiegelt. Für den Anstrich benutzte man in bäuerlichen Gegenden das aus der Schlachtung gewonnene Ochsenblut, versetzt mit Sumpfkalk und Leinöl, weshalb die Dielen oft eine schöne rote Farbe hatten. Diese Arbeiten wurden in der Regel von den Männern erledigt, die beim alljährlichen Hausputz genauso mitwirkten wie die Kinder und das Gesinde. Überhaupt war der Frühjahrsputz noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ein Ereignis, das das ganze Dorf betraf. Noch bis in die Fünfziger trafen die Hausfrauen jedes Frühjahr beim „Mobilen Reinigungsdienst“ zusammen, wo man die Federbetten säubern lassen konnte. Näheres über dörflichen Alltag erfährt man auch im Freilandmuseum im mittelfränkischen Bad Windsheim (www.freilandmuseum.de). Elisabeth Aslan
Frühjahrsputz (Fotos: Peter Raider; Location: Freilandmuseum Bad Windsheim)
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