Wumm, wumm, wumm – die schweren Schläge des Eisenhammers lassen die ganze Werkstatt erdröhnen. Man fühlt sich wie in der Schmiede Alberichs, tief im Berg bei den Nibelungen. Der Ofen, in dem das Gold geschmolzen wird, glüht rot, und Goldschlägermeister Werner Auer donnert mit dem großen 12-Kilo-Hammer in regelmäßigen Schlägen auf einen Lederblock ein.
Mit der anderen Hand dreht er das Lederpäckchen nach einem vorgegebenen Muster geschickt hin und her, Daumen und Mittelfinger nur Millimeter entfernt von den niederprasselnden Schlägen des gigantischen Eisenhammers. Nach einigen Schlägen wechselt er im Flug den Hammer von der rechten in die linke Hand, ohne den Rhythmus zu verändern.
Viel Kraft und viel Bier
In früheren Zeiten dröhnte dieses Wummern Stunde um Stunde durch die 130 Werkstätten der Goldschlägerstadt Schwabach – heute erledigen diese mühsame Arbeit meist Maschinen. Doch Werner Auer hat vor fast 30 Jahren noch das alte Handwerk von der Pike auf gelernt – und er zeigt es gern.
Im faszinierenden Schwabacher Goldschlägermuseum wurde eine Schauwerkstatt aus historischen Bauteilen errichtet, in der man Meister Auer zuschauen kann, wie er Blattgold schlägt. „Man braucht viel Kraft als Goldschläger – und viel zu trinken. Die damals 50 Brauereien in Schwabach hatten Hochkonjunktur“, lacht Werner Auer. In dem Lederfutteral, das Auer im Erzählen so geschickt hin- und herdreht, be ndet sich das, was die Stadt Schwabach weltweit berühmt gemacht hat: feinstes Blattgold.
Zehntausendfach verdünnt
Derzeit aber sind die Blättchen noch zu dick. Um die begehrte Stärke im Bereich eines zehntausendstel Millimeters zu erreichen, geschmeidig und fein genug für die Vergoldermeister, muss es dünner werden. Viel dünner. In drei Schlagvorgängen wird jedes der Goldblättchen im Lederpaket so dünn geschlagen, dass es davon iegt, wenn jemand nur vorbeigeht.
Zuallererst wird das Gold gewogen. Mit alten Gewichten wird die Menge Gold bemessen, aus der ein etwa ein Zentimeter dicker Barren gegossen wird. Dieser wird dann so oft durch eine Walze gedreht, bis ein goldenes Band entsteht, etwa so dick wie Zeitungspapier. Dieses Basisblatt wird in kleine Quadrate von circa 2 x 2 cm geschnitten und zum Trennen zwischen feine Montgol er-Papierchen gelegt.
500 mal: immer ein Papierchen, ein Plättchen Gold. Nun kommt das Ganze, umwickelt von Leder, in die Schlagmaschine, die 1910 eingeführt wurde und die mit einer ungeheueren Wucht und infernalisch laut fünfmal pro Sekunde auf das Goldpäckchen niedersaust, 30 Minuten lang.
Haut vom Rinderblinddarm
Anschließend sind die Plättchen viermal so groß. Sie werden gevierteilt und zwischen 1000 Lagen feine Goldschlägerhaut gelegt. Diese Häutchen kosteten anderthalb Stundenlöhne eines Goldschlägers – pro Stück! Sie stammen aus der Hüllhaut von Rinderblinddärmen und müssen nach jedem Mal Schlagen aufwendig in heißen Pressen getrocknet werden.
Um ein Anhaften zu verhindern, pinselt Werner Auer Marienglas, ein Gipspulver, auf die Häutchen, das gleichzeitig die Feuchtigkeit aufnimmt. Blattgold muss trocken verarbeitet werden– deshalb ist die Stadt Schwabach bis heute so ideal: Sie liegt in einer trockenen Sandkuhle. Nach dem Dörren bliesen die Helferinnen das weiße Marienglas aus den Häuten. Deshalb sind die Oberteile der Goldschläger ebenfalls weiß.
Altes Wissen zählt bis heute
Danach wird das Ganze zum dritten Mal geschnitten und geschlagen. Fertig. Aus einem winzigen Gramm-Nugget wurden fünf Büchlein à 125 Blatt. Auer: „Auch wenn das heute alles Maschinen machen– das Wissen, wie man die Maschinen baut und bedient, das haben nur wir Meister.“
GOLDSCHLÄGER - Text: Kati Hofacker - Fotos: Rainer Dittrich