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Die Heilkraft des Fastens

Der vorübergehende Verzicht auf Essen und Trinken hat eine lange kulturelle Tradition. Im ehemaligen Zisterzienserkloster Bronnbach weiht uns der Wissenschaftler Dr. Johannes G. Mayer in das alte Wissen um die Heilkräfte des Fastens ein. Von Angelika Krause

Seit Tausenden von Jahren wissen die Menschen um die positiven Auswirkungen des Fastens. So verzichteten die Naturvölker tagelang auf Nahrung, bevor sie auf die Jagd gingen.
Dadurch erlebten sie etwas, das eigentlich paradox ist – Gewinn durch Verzicht: Denn sie verfügten nach dem Fasten über mehr Energie und Ausdauer.

Heilsames Fasten
Auch die antike griechische Medizin hat sich ausführlich mit den heilsamen Effekten des Fastens auseinandergesetzt. Ihre Erkenntnisse wurden im Mittelalter in den Klöstern von gelehrten Ordensleuten, die damals sowohl Seelsorger als auch Ärzte waren, in Theorie und Praxis weiterentwickelt. Sie sahen den Verzicht auf Nahrung sowohl als Methode zur Behandlung von Krankheiten wie auch als vorbeugende Maßnahme zu Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit an.

Wertvolle Erfahrungen
»Das Fasten ist eine der tragenden Säulen der Klosterheilkunde. Von den wertvollen Erfahrungen, die Mönche und Nonnen seit mehr als 1500 Jahren auf diesem Gebiet gesammelt haben, können die Menschen deshalb heute immer noch profitieren«, erklärt Dr. Johannes G. Mayer, der Leiter der Forschungsgruppe Klostermedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Dieses überlieferte alte Wissen verbindet das Buch »Fasten nach der Klosterheilkunde« mit den neuesten naturwissenschaftlichen Forschungen über die Prozesse, die während einer Fastenkur im Körper ablaufen.

In diesem Ratgeber haben Dr. Mayer, Pater Kilian Saum, der schon viele Fastenkurse leitete, und Dr. Bernhard Uehleke, Experte der Naturheilverfahren, ein modernes Fastenprogramm mit vielen Tipps, Anleitungen und Anregungen für eine Kur in den eigenen vier Wänden entwickelt.
»Die Grundlage der mittelalterlichen Klosterheilkunde stellte die Lehre von den Temperamenten aus der Vier-Säfte-Lehre dar, die in der Medizin bis ins 19. Jahrhundert hinein allgemein gültig war«, so der Historiker. »Nach diesem Verständnis wird das Funktionieren des Organismus von einem System aus vier Körpersäften bestimmt: dem roten Blut (sanguis), der gelben Galle (cholera), der schwarzen Galle (melancholia) und dem weißen Schleim (phlegma).« Je nachdem, welcher dieser Säfte bei einem Menschen überwiegt, wird er als Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker oder Phlegmatiker bezeichnet.

Temperamentenlehre
Die kundigen Ordensleute gingen davon aus, dass die einzelnen Körpertypen unterschiedlich auf Belastungen und Heilkräfte des Fastens reagieren. Das moderne Fastenprogramm nach den Erkenntnissen der Klosterheilkunde wird diesen verschiedenen Bedürfnissen gerecht, indem es vier auf die Temperamentenlehre abgestimmte Varianten anbietet.
Tees werden beispielsweise aus genau den Kräutern zusammengestellt, die dem jeweiligen Typus besonders zuträglich sind und seinen Stoffwechsel optimal anregen. So enthält der Fastentee des Sanguinikers, der etwas mildere Zutaten benötigt, leicht kühlende und trocknende Pflanzen wie Rosenblüten, Schachtelhalmkraut und Brombeerblätter.

Viel Flüssigkeit zu sich nehmen ist eine der Säulen des klösterlichen Fastenprogramms. Zusätzlich zu den verschiedenen Kräuter- und Früchtetees – über den Tag verteilt nicht weniger als sechs bis sieben Tassen – empfehlen die Experten, mindestens 1,5 Liter Wasser zu trinken: Das ist wichtig, um den Körper bei der Ausscheidung von Ablagerungen und Giftstoffen zu unterstützen. Außerdem können dadurch auftretende Hungergefühle unterdrückt werden.

Auch wenn sich einige Mönche früher im Nahrungsverzicht gegenseitig zu übertreffen versuchten – eine sinnvolle Fastenkur nach der Klosterheilkunde dauert heute nicht länger als zehn Tage: In dieser Zeit kommen die positiven Effekte schon voll zum Tragen. Das Programm, das Pater Kilian entwickelt hat, beginnt mit einem Vorfastentag, an dem man vor allem Getreideprodukte mit einem hohen Anteil an Ballaststoffen isst: morgens im Müsli, mittags im Salat und abends in einer Brühe mit Gemüse. Gemüsebrühe (mittags und abends) und Getreidecreme (mittags) sind die einzigen Nahrungsmittel, die man an den darauffolgenden sechs Fastentagen – neben Tee und Wasser – zu sich nehmen darf.
Wer bis dahin durchhalten konnte, hat das Schwierigste schon hinter sich: Am achten Tag ist Fastenbrechen angesagt. Für das »Festmahl« erlaubt Pater Kilian immerhin morgens, mittags und abends jeweils ein Glas Milch und einen Apfel oder ein trockenes Brötchen. Getreideflocken mit Joghurt, Radieschensuppe und Knäckebrot mit Kräuterquark sind die sanfte Kost für den vorletzten Tag. Der darauffolgende Morgen bietet ein Müsli mit Joghurt, mittags gibt es einen Apfel-Möhren-Salat und abends wird die gesamte Fastenkur mit einem Gurkenbrot mit Käse und einem Joghurt abgeschlossen. 

Erst einmal abführen
Ein wichtiges Element jeder Fastenkur ist die gründliche Reinigung des Darms. Dr. Mayer: »Weil man kaum noch Nahrung zu sich nimmt, stellt er seine Tätigkeit fast ein. Trotzdem müssen weiter Abfallstoffe ausgeschieden werden, damit sie nicht erneut in den Blutkreislauf gelangen. Das kann Hungergefühle, Kopf- und Gliederschmerzen verursachen. Außerdem sollte der Darm unbelastet sein, damit er sich richtig regenerieren kann.«

Die klassische und schonendste Methode, die schon in der Klostermedizin angewandt wurde, ist der Einlauf. Auch mit viel Wasser eingenommenes Glaubersalz – ein allerdings sehr starkes Abführsalz – und Indische Flohsamenschalen unterstützen den Prozess. Wer das erste Mal fastet, sollte es sich zur Regel machen, jeden zweiten Tag eine Darmreinigung durchzuführen.

Auch über Hautporen und Schweißdrüsen werden während des Fastens verstärkt Gifte und Abbaustoffe ausgeschieden. Das kann zu Trockenheit, Blässe und einem unangenehmen Geruch der Haut führen. Die Körperhülle braucht deshalb mehr Aufmerksamkeit als sonst. Kräuterbäder, altbewährte Mittel aus der Klosterheilkunde, pflegen sie und wirken sich gleichzeitig wohltuend auf die Stimmung aus. Daneben sollte die Haut täglich ausgiebig mit Feuchtigkeitscremes und reichhaltigen Ölen verwöhnt werden.

Ganzheitliches Konzept
Als ganzheitliches Konzept bezieht die  Klosterheilkunde alle Aspekte des Lebens in die Fastenkur mit ein. So gehört körperliche Betätigung an der frischen Luft zu den festen Bestandteilen des Programms. »Leichte Gartenarbeit und lange Spaziergänge fördern nicht nur die Lungenfunktion, sondern sind auch ideal für den Säure-Basen-Haushalt des Körpers, der bei unserer modernen Fehlernährung oft im viel zu sauren Bereich liegt«, erläutert der Wissenschaftler. Genauso wichtig sind ausgiebige Phasen der Entspannung, in denen man meditiert, Atemübungen macht, Musik hört – oder liest. Denn schon Benedikt von Nursia (480 – 547), der im Jahr 529 in Monte Cassino das erste Benediktinerkloster gründete, empfahl seinen Mitbrüdern, während des Fastens wenigstens ein Buch zu studieren.

Fastentagebuch führen
Für den Heiligen bot diese Zeit außerdem die Gelegenheit, sich auf die wichtigen Dinge des Lebens zu konzentrieren. Wer nach der Klosterheilkunde fastet, erhält daher den Rat, ein Tagebuch zu führen. Darin sollte man nicht nur jeden Abend eine kleine Bilanz ziehen, sondern auch alle Gedanken und Gefühle niederschreiben. Den Kopf frei zu bekommen – das ist abgesehen von der Gewichtsabnahme nur einer der positiven Nebeneffekte.

»Die Heilkräfte des Fastens entlasten die Organe auf vielfältige Weise«, erklärt Dr. Mayer. »So beginnt der sonst durch die Nahrung gedehnte Magen, sich auf seine natürliche Größe zu verkleinern. Dadurch wird er wieder leistungsfähiger und die Schleimhaut kann sich regenerieren.« Beim Fasten verbessert sich darüber hinaus die Qualität des Blutes, Fettablagerungen um Herz und Gefäße werden abgebaut. Der Kreislauf wird stabiler und der Organismus insgesamt belastbarer. Da mehr als zwei Drittel der Immunzellen des Körpers im Darmbereich angesiedelt sind, werden auch die Abwehrkräfte durch das Fasten nachhaltig gestärkt.

Erstaunlicherweise ist man nach dem Fasten weniger stressanfällig. Der Experte: »Beim Fasten hat der Organismus gemerkt, dass Stresssymptome wie das Absinken des Blutzuckerspiegels nicht lebensbedrohlich sind. In der Folge wird die Produktion von Adrenalin und Cortisol reduziert – und man ist künftig mehr gegen Stress gefeit.«

Von Angelika Krause

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Fotos: Peter Raider
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