Die Vergangenheit ist in der Werkstatt von Tarquin Cosack immer gegenwärtig. Nicht nur, weil der Sauerländer in bester Sattlertradition mit viel Liebe zum Detail noch in altbewährter Handarbeit fertigt. Sondern auch, weil das Gebäude, in dem er vor acht Jahren seinen Meisterbetrieb eröffnete, mit der Geschichte des nordrheinwestfälischen Landkreises Arnsberg eng verwoben ist: Es gehört zum Rittergut Wildshausen, das im 14. Jahrhundert zur Versorgung der Grafen in der nicht mehr existierenden Mottenburg errichtet wurde. „Bevor das Anwesen 1888 in den Besitz unserer Familie gelangte, hat es wechselvolle und stürmische Zeiten erlebt – Mord und Totschlag nicht ausgenommen“, erzählt der Hoferbe. Durch die Sattlerei ist einst ein Bach gefl ossen – das alte Gemäuer diente dem Gut früher als Wassermühle. Bei der Renovierung ist es dem heutigen Besitzer gelungen, eine der geschichtsträchtigen, unbehauenen Steinwände wieder freizulegen und in den Arbeitsbereich zu integrieren. Auch der angrenzende ehemalige Schweinestall wird demnächst umgebaut: Hier richtet Tarquin Cosack für die bundesweite Meisterausbildung eine zentrale Lehrwerkstatt ein.
Der Schulranzen wird exklusiv für LandIdee-Leser in Natur (geölt) und Cognac hergestellt - hier bestellen!LEDER AUS DEM ALPENRAUM
Hauchdünnes Nappa wird man in der Hofsattlerei vergeblich suchen. Die braunen Lederbahnen, die sich in den Regalen stapeln und einen feinen Duft verströmen, sind mindestens zwei, oft sogar fünf Millimeter dick. „Wir verwenden ausschließlich qualitativ hochwertige Ware aus dem Alpenraum“, verrät der Fachmann. „Dort sind die Kühe extremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt, und das macht ihre Häute stark, fest und strapazierfähig.“ Aus dem Leder der bayerischen und schweizerischen Rindviecher entstehen vor allem maßgefertigte Sättel für Reiter aller Disziplinen und Könnenstufen. Neben Zaumzeug und weiterem schönem Zubehör, das das Herz jedes Pferdebesitzers höher schlagen lässt, sind im Sortiment aber auch ganz außergewöhnliche Kreationen zu fi nden: Fahrradtaschen im Stil der 1920er Jahre. Dazu haben den Sattlermeister die Pedalritter inspiriert, die am Wochenende über den nicht weit entfernten Ruhrtal- Radwanderweg fahren und sich im Hofcafé mit Kaffee und Kuchen stärken. Neben drei schmalen Taschen, die Platz für Werkzeug, Schlüssel und andere Kleinigkeiten bieten, hat er nostalgisch anmutende Gepäck-, Lenker- und Rahmentaschen entwickelt, mit denen man sich gern auch im Büro, beim Stadtbummel und beim Einkaufen sehen lässt. Die wohlgefällig proportionierten Begleiter sind für den komfortablen Gebrauch mit vielen funktionalen Details und gut durchdachtem Innenleben ausgestattet.
PLATZ FÜR DEN LAPTOP
Mit der gleichen Akribie hat sich der Vater eines siebenjährigen Sohnes exklusiv für LandIdee rechtzeitig zum Schulanfang an die Gestaltung eines Lederranzens gemacht. Für größere Kinder – und Studenten – entwickelte er ein zweites Modell, das nicht mit einer Halterung für die Rückentragegurte, dafür aber mit einem Schulterriemen ausgestattet ist. Beide bieten genug Platz für einen 15-Zoll-Laptop und einen breiten Aktenordner. „Wie die Fahrradtaschen werden die Tornister aus zweieinhalb Millimeter dickem und strapazierfähigem Sattelleder gefertigt, die Beschläge sind aus rostfreiem Edelstahl. Deshalb halten die Taschen bei der richtigen Pfl ege ein Leben lang“, versichert er. Wenn der Ranzen schmutzig ist, werden Staub und grober Schmutz mit lauwarmem Wasser und einem Lappen entfernt, anschließend wird mit einem feuchten Schwamm gleichmäßig Satteloder Lederseife aufgetragen. Bei nor- maler Raumtemperatur – nicht auf der Heizung! – lässt man die Tasche trocknen und reibt sie mit einem sauberen Lappen ab. Danach wird sie mit einem farblosen Bienen- oder Mandelwachs eingefettet – so bleibt die Oberfl äche widerstandsfähig, geschmeidig und reißfest. Auch wenn das Leder richtig nass geworden ist, tut ihm nach dem Trocknen eine Portion Wachs gut. Bei der Herstellung dieser Taschen arbeitet der Gutsbesitzer, der in seinem Betrieb einen Altgesellen und einen Lehrling beschäftigt, mit der gleichen handwerklichen Sorgfalt, die der Maßsattelbau erfordert: „Für diese hohe Kunst braucht man viel Erfahrung im Umgang mit Pferden und ein fundiertes Wissen über deren Muskeln und Knochenstrukturen sowie die Bewegungsabläufe während des Reitens.“ Nur so ist gewährleistet, dass der Sattel perfekt passt und die Gesundheit des Tieres langfristig erhalten bleibt. Mit höchst moderner Technik ist er in der Lage, den Rücken eines Pferdes genau zu vermessen: Ein sogenannter Topograph mit einzeln verstellbaren Gliederstücken erfasst die Daten an 99 Punkten. Diese werden im Computer dreidimensional aufbereitet und dienen als Vorlage für den Bau des Sattelbaums. Auch alte Sättel kann man so auf ihre Passform überprüfen und gegebenenfalls anpassen oder aufpolstern lassen.
SINN FÜR PROPORTIONEN
Sobald der hölzerne Sattelbaum fertig ist, wird er mit Papp-Schablonen ausstaffi ert. Diese haben die Umrisse der einzelnen Lederelemente, aus denen der Sattel später zusammengebaut wird. Das dient nicht nur der Präzision, sondern ebenso der Optik: So kann Tarquin Cosack erkennen, ob die Proportionen stimmen und die Linienführung harmonisch verläuft. Erst wenn er damit zufrieden ist, kommt das traditionelle Halbmondmesser zum Ausschneiden der Lederelemente zum Einsatz. Maßsättel werden zum Abschluss gern mit individuellen Punzierungen versehen – eingeprägte Verzierungen, Wappen oder Initiale. Wenig Aufwand, große Wirkung: Diese schönen Details verleihen auch dem Schulranzen eine ganz persönliche, edle Note.
Angelika Krause