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Auf dem Hof der Maisbauern

In Kärnten hat Mais eine lange Tradition. Neu aufgelegt wurde diese vor allem, als Sepp Brandstätter Saaten der alten Sorte Gailtaler Landmais entdeckte und kultivierte:
Mais, der sich noch selbst fortpflanzt.
Auf ihrem Hof zeigt uns Evi Brandstätter gemeinsam mit der Haubenköchin Sissy Sonnleitner fünf wundervolle Gerichte aus Mais und Polenta, die Althergebrachtes mit frischen Ideen kombinieren.
Gailtaler Landmais © Brigitte Sporrer



Keine Menschenseele begegnet uns, hier im wunderschönen Kärntner Gailtal. Wir fahren gemütlich vorbei an Kötschach, über das Flüsschen Gail durch das malerische Mauthen und weiter nach Würmlach bis zum Hof der Familie Brandstätter. Sattgrüne Wiesen, zufrieden kauende Kühe und erntereife Maisfelder säumen unseren Weg, kühle Wälder und malerische Kärntner Holzhöfe, üppig geschmückt mit bunten Geranien. Hier empfängt uns Evi Brandstätter. Ihr Mann Sepp baut hier, auf ihrem Hof aus dem 15. Jahrhundert, eine alte Landmaissorte, den Gailtaler Landmais, an. Eine kleine Sensation, da alte Sorten fast nur noch in den Gendatenbanken zu finden sind, nicht aber auf den Feldern.

500 Jahre Maistradition

Als der Mais ab dem 15. Jahrhundert seine Reise durch Europa antrat, war sein Siegeszug ungleichmäßig verteilt. In manchen deutschen Bundesländern etwa hatte man bis in die 1960er-Jahre hinein keine Ahnung davon, wofür man Mais anbauen sollte. In anderen Landesteilen wurde Mais schnell heimisch, beispielsweise im 16. und 17. Jahrhundert am Rhein und in Baden. Bis ins 18. Jahrhundert aßen die Menschen in Mitteleuropa hauptsächlich dicke Suppen und Breikost, die je nach Region auch aus Mais gekocht wurden. In der deutschen Küche stellt er bis heute eher eine Randfigur dar. In einigen Teilen Österreichs, wie beispielsweise in Kärnten, spielten der Mais (hier „Tirkn“, in anderen Gegenden „Kukuruz“ genannt), und Maisgrieß (Polenta oder „Sterz“), hingegen eine große Rolle.
Es ist Zeit, den Mais als kulinarisches Gut neu zu entdecken. Das findet auch Sissy Sonnleitner, die in Kötschach-Mauthen, unweit vom Hof der Brandstätters, seit 40 Jahren ihr Hotel-Restaurant „Landhaus Sonnleitner“ betreibt. Sie ist heute bei Evi Brandstätter zu Besuch, um für uns einige Köstlichkeiten aus dem Landmais zuzubereiten, die natürlich auch mit „normalem“ Mais oder Polenta gelingen.

Nussiger Geschmack

Die Haubenköchin erzählt: „Diese alten Maissorten sind würzig und nussig, bei uns kommt der Gailtaler Landmais deshalb gerne auf den Tisch.“ Sissy Sonnleitners Genusswerkstatt befindet sich auch mitten in der weltweit ersten Slowfood-Reisedestination, dem Gailund Lesachtal, zu der auch der Brandstätter-Hof gehört. Die Menschen der Region, das überlieferte Wissen und die alten Geschmäcker haben es der Slowfood-Bewegung und auch Sissy Sonnleitner schon immer angetan. „Bei unserer täglichen Arbeit legen wir großen Wert auf regionale und faire Produkte.“ So war sie eine der ganz frühen Kundinnen bei den Brandstätters und kaufte von der ersten Ernte auch noch das letzte Körnchen.

Schatz vom Dachboden

Trotz der hohen Ergiebigkeit des Landmaises – für einen Liter Wasser braucht man nur 250 Gramm Polenta – und des kräftigeren Geschmacks verdrängten die Anbausorten großer Konzerne in den letzten Jahrzehnten die alten Sorten. Dabei können sich diese nicht selbst aussäen, sondern müssen als Samen jedes Jahr neu gekauft werden. Sepp Brandstätter muss seine Kolben nur zum „Fiedern“, also Trocknen, am Hof aufhängen – ein zauberhafter Anblick – und kann die Körner im nächsten Jahr wieder säen. Als der Bergführer Sepp Brandstätter beim Aufräumen auf dem Dachboden ein paar alte Kolben fand, die 30 Jahre dort gelegen hatten, ahnte er bereits, dass er einen Schatz gehoben hatte. Schließlich fragten ihn seine Söhne immer wieder, wofür die alte Steinmühle gut sei, die auf dem Hof steht und die heute wieder läuft. Mais war ein Stück Tradition im Haus Brandstätter, Sepps 80-jähriger Vater half dem Sohn mit seinem altem Wissen. Sepp setzte die jahrzehntealten Körner ein – und sie keimten.

Mit dem Keim vermahlen

Für seine Errungenschaften um den weißen und gelben Gailtaler Landmais erhielt Sepp den höchstdotierten österreichischen Innovationspreis, den Agrarius 2004. Mais ist anders als unsere sonstige Getreidearten hierzulande: Er ist glutenfrei, daher für Zöliakiekranke geeignet, und der Keimling ist sehr fettreich. Mehr als fünf Mal so viele wertvolle Öle wie Weizen weist Mais auf. In der industriellen Verarbeitung wird der Keimling meist entfernt, um Maiskeimöl daraus zu gewinnen. „Bei uns aber wird der Keimling mit vermahlen“, erklärt Evi. Deshalb ist ihre Polenta so wertvoll.
Und das, obwohl Mais einst den Ruf besaß, krank zu machen. Man dachte, dass er Pellagra verursacht, eine Erkrankung, die durch den Mangel an Vitamin B3, genauer Nicotinsäure, ausgelöst wird und sich durch raue Haut, Durchfall, Nervenleiden und Demenz äußert. Als der Siegeszug des Maises begann und sich viele Menschen davon einseitig ernährten, breitete sich die Krankheit epidemieartig aus. Lange dachte man, Mais wäre giftig. Die Ureinwohner Amerikas aber, deren Hauptnahrungsmittel Mais war, litten offensichtlich nicht daran. Sie kochten die Körner mit alkalischen Stoffen (gelöschtem Kalk oder Holzasche), danach wurden sie enthülst, nass vermahlen und teils als Mehl getrocknet. Als ob man damals ahnte, dass dieser Prozess nötig ist, um keine Mangelerkrankungen zu erleiden, weil auf diese Art die B-Vitamine aus dem Mais für Menschen verfügbar sind.
Pellagra war also kein Zuviel (an Gift), sondern ein Zuwenig (an Nicotinsäure). Anfang des 20. Jahrhunderts erst erkannte man die Zusammenhänge und behandelte Pellagra mit Bierhefe. Was die Zahl der Insassen in Nervenheilanstalten schlagartig verringerte. Unsere vielseitige Ernährung aber, die genügend Nicotinsäure in Fleisch, Eiern, Milchprodukten, Hefe und Hülsenfrüchten bietet, macht es auch für echte Maisfreunde unmöglich, an Pellagra zu erkranken. Genießen wir also ohne Bedenken dieses köstliche und vielseitige Getreide.


Sissys Suppe mit Steinpilzen und Rucola


Zutaten für 4 Personen:
  • 15 g getrocknete Steinpilze
  • 2 EL Zwiebeln
  • 1 EL Butter
  • 50 g weißer Gailtaler Landmaisgrieß
  • 500 ml Hühnersuppe
  • 200 ml Rahm
  • Salz
  • Pfeffer
  • 150 g Maiskörner gekocht
  • Butterschmalz
  • Rucola
  1. Pilze über Nacht in Wasser einweichen.
  2. Gehackte Zwiebeln in Butter goldgelb rösten, Pilze zufügen, weiter rösten, Landmaisgrieß kurz mitrösten und mit der Suppe aufgießen, circa 15 Minuten köcheln lassen. Rahm zufügen, die halbe Menge mixen. Abschmecken. Maiskörner in wenig Butterschmalz rösten und mit gehacktem Rucola als Einlage zur Suppe geben.
Zubereitungs-/Garzeit: circa 20 Minuten

Weitere leckere Rezepte, wie z.B. "Sissys Kärntnernudeln vom weißen Gailtaler Landmais mit Radicchio" oder "Evis süße Polentagupferl" finden Sie in der aktuellen Ausgabe der LandIDEE.

 
Text von Kati Hofacker
LandIDEE Ausgabe 05/17 Jetzt abonnieren!
Fotos: 
Brigitte Sporrer
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