Solche hektischen Tage kennt jeder: Im Büro hat man das Gefühl, dass einem die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt und unaufhörlich sinkt die Chance, auch nur die Hälfte der anstehenden Dinge zu erledigen. Nach der Arbeit, auf dem Weg zur Kinderbetreuung, raubt ein lästiger Stau weitere kostbare Minuten – und auch die Schlange an der Supermarktkasse scheint mal wieder endlos zu sein ...
DAUERSTRESS MACHT KRANK
„Stress ist zu einem Bestandteil unseres Alltags geworden. Solange er nur kurzzeitig auftritt, gibt es keinen Grund zur Beunruhigung“, erklärt die Pflanzenexpertin Stella Reimers, die in Kisdorf (Schleswig- Holstein) als Heilpraktikerin für Psychotherapie arbeitet.
Für unsere Urahnen war Stress sogar überlebensnotwendig, weil er in einer bedrohlichen Situation Energien für die Flucht oder einen Kampf bereitstellte: Der Herzschlag erhöht sich, der Sauerstoffumsatz steigt, Fettreserven werden verfügbar gemacht, das Schmerzempfinden sinkt und das Immunsystem arbeitet nur noch auf Sparflamme.
Auf die Dauer macht Stress jedoch krank. Wer permanent unter Druck steht und nicht mehr zur Ruhe kommt, gefährdet sowohl seine körperliche als auch seine seelische Gesundheit. Die Folgen sind vielfältig und hängen von der individuellen Konstitution ab: Sie reichen von Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Migräne, Verspannungen, Magenschmerzen, Verdauungsproblemen, Schlafstörungen und Krankheitsanfälligkeit bis hin zu dem sogenannten Burnout-Syndrom, Niedergeschlagenheit, Ängsten und Depressionen.
GUT FÜR DAS WOHLBEFINDEN
Richtig zur Ruhe kommen, vom Alltag abschalten und so dem Stress entgegensteuern ist deshalb wichtig für das Wohlbefinden. „Es gibt eine ganze Reihe von Heilkräutern, die in hektischen Phasen die geistige und körperliche Erholung unterstützen und Symptome wie Nervosität, Gereiztheit, Migräne oder mangelnde Konzentrationsfähigkeit mildern.
Das beseitigt zwar nicht die Ursachen für den Stress, verschafft aber etwas Abstand. Und letztendlich hilft eine etwas entspanntere Haltung natürlich auch wesentlich dabei, mit Stresssituationen besser umzugehen“, erläutert die Phytotherapeutin.
Viele dieser „Anti-Stress-Kräuter“ finden wir im Kräuterpark Stolpe in der Holsteinischen Schweiz, wo Stella Reimers verschiedene Kurse für interessierte Laien gibt und in fortlaufenden Wochenendseminaren zukünftige Heilpflanzenexpertinnen ausbildet.
Das liebevoll gepflegte Gelände, das vor zwölf Jahren von der Gartenbaufirma re-natur auf dem Grund eines alten Drei-Seiten-Hofes angelegt wurde, bietet eine Fülle an Themenbeeten mit Heil-, Duft- und Gewürzkräutern, alten Gemüsesorten sowie Heilsträuchern und -bäumen.
Im Apothekergarten weisen Beetstecker den Weg zu Lavendel und Melisse – den Klassikern unter den Heilkräutern, die bei Anspannung, Stress und Nervosität unterstützen. Johanniskraut und Rose haben sich ebenfalls als stabilisierende und harmonisierende Helfer bewährt. „Manchmal tun bei Stress aber auch anregende und belebende Heilkräuter gut – beispielsweise, wenn dadurch bedingt Erschöpfung, Antriebsschwäche oder mangelnde Konzentrationsfähigkeit auftreten. Dann stehen solche Pflanzen im Vordergrund“, erklärt die Sozialpädagogin, als sie Rosmarin und Eisenkraut entdeckt.
HERZSTÄRKENDER WEISSDORN
Viele Menschen bekommen Kopfschmerzen oder Migräne, wenn sie ständig unter Druck stehen. Linderung kann eine beruhigende und krampflösende Tinktur verschaffen, die mit Lavendel und Mutterkraut angesetzt wird (siehe S. 10). Letzteres stand schon im Mittelalter in hohem Ansehen und wächst heute noch in vielen Gärten – aber seine Heilkräfte sind in Vergessenheit geraten.
Auch den Weißdorn hat man vor Hunderten von Jahren schon sehr geschätzt. Die herzstärkende Wirkung dieses Heilstrauchs wurde in zahlreichen Studien untersucht und ist heute wissenschaftlich anerkannt. Seine Inhaltsstoffe verbessern die Durchblutung des Herzens, das bei zu viel Stress besonders angegriffen ist.
Darüber hinaus hat er einen leicht beruhigenden Nebeneffekt und wird als Zutat für nervenstärkende, ausgleichende und entspannende Teemischungen empfohlen. „Wer so eine Tasse Tee zwischen Tür und Angel hinunterstürzt und dabei schon wieder die nächsten Termine im Kopf hat, profitiert sicher nicht von ihrer harmonisierenden Wirkung“, meint die Kräuterfrau. „Viel besser ist es, sich ganz bewusst eine kleine Auszeit zu nehmen, den Tee in Ruhe zu genießen und dabei an etwas Schönes zu denken.
Man sollte sich sogar noch mehr solcher Wohlfühlrituale gönnen und damit dem Stress entgegenwirken: Ein vitalisierendes Fußbad, eine entspannende Gesichtsmaske oder eine erfrischende Massage helfen dabei, Körper und Seele in Balance zu halten.“ Abstand vom Alltag gewinnen – das gelingt hervorragend in der Badewanne. Im warmen Wasser können verschiedene Heilpflanzen als Zusätze ihre beruhigenden, stärkenden und ausgleichenden Eigenschaften entfalten. Rose, Lavendel und Co. wirken dabei nicht nur über die Haut, sondern auch über den Geruchssinn.
AUSGEWÄHLTE ÄTHERISCHE ÖLE
Stella Reimers: „Düfte haben über das sogenannte limbische System einen unmittelbaren Zugang zu unserer Gefühlswelt und beeinflussen unser Wohlbefinden auf direktem Weg. Die ätherischen Öle von ausgewählten Heilpflanzen, die man in der Aromatherapie in Bädern, Hautölen oder Duftlampen zum Einsatz bringt, spielen deshalb eine wichtige Rolle bei der Stressbewältigung.
Das sind vor allem Blütenöle wie Lavendel, Jasmin, Neroli, Rose oder Rosengeranie, die eine entspannende und stabilisierende Wirkung haben. Oder die ätherischen Öle von Grapefruit, Mandarine und anderen Zitrusfrüchten, die vitalisierende Eigenschaften besitzen und fröhlich machen.“